Eine gute Idee zu haben, ist nicht so schwer. Gute Ideen fallen einem nämlich oft vor die Füße. Man muss nur die Augen offenhalten. Damit man die gute Idee aber auch umsetzen kann, hilft es, wenn man was gelernt hat. Sein Handwerk kann. Erfahrung mitbringt. So wie Thomas Göttinger. Deshalb hat sich seine Idee von Manufaktur-Patisserie für die gehobene Gastronomie auch zu einem bislang konkurrenzlosen Erfolgskonzept entwickelt.
„Ein paar Tausend Desserts am Tag zu machen, in Handarbeit, in gleichbleibender Qualität und unter höchsten Hygienestandards, das macht uns in Österreich und Deutschland so schnell keiner nach", sagt Göttinger im karamellduftigen Pausenraum der Göttinger Produktion in Groß Siegharts. Zum Beweis annonciert er Graumohnküchlein, Mandelsoufflée mit flüssigem Nougatkern, Tonkabohnen-Mousse im Himbeermantel und Cremiges vom Apfel. Es braucht nur ein kleines Löffelchen von diesem und jenem, um zu wissen: Hier denkt einer die süßeste Nebensache der Welt konsequent neu.
Nachtisch, Marke Eigenbau
Angefangen, sagt Göttinger, habe alles mit dem offenen Auge während seiner Lehr- und Wanderjahre. „Schon damals war die Patisserie das Stiefkind in der Küche. Die wenigsten Köche wollen sie machen, es fehlt an Platz, Kälte, Gerätschaften, Zeit.“ Also beschloss Göttinger zum Problemlöser für Betriebe zu werden, die Handmade-Optik und -Qualität suchen, aber nicht selber machen können oder wollen. 2006 legte er in der elterlichen Backstube los. Mittlerweile hat er 35 Mitarbeiter und oft umgebaut, zuletzt 2017 die Produktionsfläche erweitert. 80 Produkte führt Göttinger im Standardsortiment - darunter auch vegane, laktose- und glutenfreie –, bis zu 300 Artikel sind es im Jahresmittel, wenn man die Auftragskreationen mit einrechnet. Rund 3 Millionen schockgefrorener Premium-Desserts verlassen aktuell jährlich die Produktion in Groß Siegharts, 70 Prozent davon in Richtung Deutschland. Der Name Göttinger ist nicht nur in Österreich längst zum Synonym für Spitzen-Patisserie mit hohem Bequemlichkeitsfaktor geworden.
Überzeugungs-Arbeit
Allen Erfolgs zum Trotz sind gewisse Produktionsprinzipien für Göttinger aber nicht verhandelbar. „Handwerk ist unsere DNA“, sagt er, und steuert schnurstracks auf eine Mitarbeiterin zu, die mit armlangem Handschuh ausgestattet bis zum Ellbogen in einem Rührkessel steckt. „Das Schokomousse wird bei uns mit der Hand gerührt, weil nur so wird sie luftig, leicht und cremig“, erklärt er. „Wenn ich das maschinell mache, wird das Pudding. Der Mensch passt sich bei uns dem Produkt und der Rezeptur an, nicht umgekehrt!“
Und dann gibt es da noch einen weiteren Punkt, in dem Göttinger nicht mit sich diskutieren lässt: nachhaltiges Handeln. Er nennt das „Dessertproduktion mit Kostenwahrheit der Umwelt gegenüber“. „Ich verarbeite 70.000 Liter Schlagobers und 600.000 Eier im Jahr. Bei solchen Abnahmemengen kann ich mit meiner Entscheidung für einen regionalen oder Bio-Lieferanten schon etwas bewegen“, ist er überzeugt. Über 50 % seiner Rohstoffe bezieht Göttinger in Bio-Qualität - Tendenz steigend -, Schokolade aus Fairtrade-zertifizierten Quellen. „Wenn wir einfach nur so viel Profit wie möglich aus unserem Tun schlagen, dann zahlt wer anderer drauf“, sagt Göttinger zurück im Pausenraum. Darauf noch ein Schokotürmchen mit Himbeermark.